Unser Dorf hatte auch Gastwirtschaften

Die Gaststätte Both von Heinz Menzel als Zeichnung festgehalten

Unser Dorf, so klein es auch ist – es schwankte immer zwischen 200 und 300 Einwohner – hatte aber doch 3 Gaststätten aufzuweisen.

Es gab vor und nach dem Krieg die Gastwirtschaften von Franz  HARTGE, Karl RÖßLER und die Gaststätte mit Kolonialwarenhandel Paul BOTH.

Wann sie genau entstanden sind, wird wohl nicht genau festzustellen sein. Einzig bei der Gaststätte Both, auf diesem Grundstück wohnte vor 1900 ein Schneidermeister, der anfing Bier auszuschenken.

Später übernahm Karl STEINBRECHER das Grundstück. Er machte eine Restauration (Gaststube mit Saal) und daneben einen kleinen Laden mit Kolonialwaren auf. Sein Name ist in einer Aufstellung von Personen erwähnt, die in Fraßdorf gewohnt haben. 1908/1912 ist ein Karl Steinbrecher als Restaurateur namentlich festgehalten worden.

In einer Aufstellung von Amtsbezirken aus dem Jahr 1879 ist ein 7. Amtsbezirk genannt, der u.a. die Gemeinde Fraßdorf mit Herzöglicher Landes-Domäne erwähnt. Hier ist als Gastwirt Rößler Carl genannt. Sein Nachfolger war Max Rößler, geb. 1874 und danach dann Karl Rößler, geb. 1901.

Als Restaurateure und Materialwarenhändler sind hier die Herren Friedrich Hoppe – Friedrich Kreuzmann aufgeführt. Sie könnten vlt. die Vorgänger von Karl Steinbrecher gewesen sein.

Im Jahr 1925 hat PAUL BOTH das Anwesen übernommen. Seitdem war es die „Restauration und Kolonialwarenhandel Both“. Er und seine Frau Lina (geb. Streuber aus Klein Weißandt) hatten dazu auch die Poststelle inne und sie trugen täglich die Briefe und Pakete aus.

Die Restauration Paul Both um 1930 war Gasthaus, Kaufladen und Poststelle.

1961 ging die Gastwirtschaft dann an den Sohn Heinz BOTH über, der sie bis zu ihrer endgültigen Schließung im Jahr 1991 bewirtschaftete. Sie war die dominierende Gastwirtschaft im Dorf.

Der kleine Kolonialwarenladen, in dem es damals von Bonbons, Mehl, Zucker, Milch usw., aber auch Farben, Pinsel, Farbwalzen, Nägel, Schrauben, Kuhketten und andere Kleinartikel gab, war schon 1978 geschlossen worden.

Dieses Schild hing über der Eingangstür zur Gaststätte und war abends beleuchtet

Etwa 1975/80 – Der Gastwirt Heinz Both sitzt mitten unter seinen Gästen.
Reiner Pohle, Reiner Swintek, Hans Wagner, Ernst Thau, Achim Schulze und Werner Mölle (von li nach re)

Schon zuvor war die Poststelle neu eingerichtet worden im ehemaligen Umspannwerk am Dorfteich. Hier war dann Frau Kusier viele Jahre die Postfrau für Fraßdorf und sie wußte schon beim Überreichen der Postkarte die Nachricht mündlich zu übermitteln.

Im zu Boths Gaststätte dazu gehörenden Saal, der bereits 1892 gebaut worden war, gab es über die Jahre verschiedentliche Tanzveranstaltungen, wie Maskenball, Ringreiterball, Feuerwehrball, Ernteball der LPG usw.

Einladung zum Tanz in Boths Gaststätte

Die Männer waren immer schon recht zeitig vor Tanzbeginn da, um einen Tisch freizuhalten. Wenn ihre Angetrauten zum offiziellen Einlaß erschienen, waren die Herren der Schöpfung oft schon gut angeschickert, denn man konnte ja nicht trocken da so rumsitzen und warten.

Und zu späterer Stunde dann gab es immer als kleine Zwischenmahlzeit Bockwürstchen mit Brötchen.

Viele Anekdoten werden noch heute von diesen Ausgeh-Abenden erzählt.

Wie schon oben erwähnt – gab es noch die Wirtschaften von Franz HARTGE und Karl RÖßLER (geb. 1901), dem Nachfolger von Max Rößler (geb. 1874).

Rößlers Wirtschaft befand sich an der Ecke des Dorfplatzes, dem früheren Bäckerplatz und Handwerkerviertel und bestand nur aus einer kleinen Gaststube mit drei Tischen und einem Billard. Karl Rößler war hauptsächlich Bauer mit ca. 18 ha Fläche.

Auf dem Bäckerplatz – Die Bauernwirtschaft und Restauration Karl Rößler. Der Bäckerplatz war das handwerkliche Zentrum Fraßdorfs. Hier waren außer des Bauern und Gastwirts Rößler auch der Schuster, die Gärtnerei, Bäckerei, Stellmacherei und die Schmiede ansässig.

An der Hausecke der Wirtschaft war damals eine Sonnenuhr angebracht, die bei Abriß des Gaststättengebäudeteils von Roswitha Schulze gerettet und gut verwahrt wurde. Diese Sonnenuhr konnte nach einer Überarbeitung durch unseren Schmiedemeister Gerald Paetzel zur 750-Jahrfeier von Fraßdorf dann an Rößlers Wohnhaus, in dem nun inzwischen Familie Wieser wohnt, gut sichtbar wieder angebracht werden. (siehe auch Artikel vom 14. August 2016)

Die Gaststätte von FRANZ HARTGE befand sich in der Mitte der Gasse (heute die Etzdorfer Straße) und hatte nebenbei auch einen kleinen Lebensmittelladen. Freitags gab es hier immer frische Hausschlachtewurst…

Jede der 3 Gaststätten  wurde von einer anderen Brauerei beliefert.

Both wurde beliefert von der „Schade-Brauerei“ Dessau, Hartge bezog „ABC-Bier“ (Aktien Brauerei Cöthen) und Karl Rößler schenkte Dessauer „Schultheiss-Patzendorfer“ aus.

Die beiden Kneipen von Hartge und Rößler bestanden wohl bis Ende der 1960iger  Jahre.

Im Jahr 1991 ist dann die Gaststätte von Heinz Both geschlossen worden, als der Besitzer Rentner wurde. Alle Männer des Dorfes begleiteten ihren „Kneiper Heinz Both“ in den wohlverdienten Ruhestand mit einem letztmalig ausgeschenkten Bier, aber auch mit einem weinenden Auge der Männer.

Einer der letzten Gäste hatte sich ein Andenken von Heinz Both abstempeln lassen
Alle Gäste sind zum letzten Bierausschank erschienen und haben ein letztes Bier mit ihrem
„Kneiper Heinz Both“ getrunken

In den Jahren nach der Schließung der Gastwirtschaft wurden dann bauliche Veränderungen vorgenommen. Die Gaststube wurde zu Wohnraum umgebaut und der Saal wurde 2007 abgerissen, so daß die frei gewordene Südseite des Hauses für eine Außenterasse hergerichtet werden konnte

Danach gab es nochmals eine Gaststätte (von ca. 1991 bis etwa 1998?) auf der Domäne in dem ehemaligen Ochsenstall, der schon in den 1960iger Jahren als Kulturraum für die Dorfbewohner umgebaut worden war und heute immer noch als Veranstaltungssaal im Dorfgemeinschaftshaus  fungiert.

Roswitha Schulze, Günther Fischer

Fraßdorfer Jugendleben in den 1950iger Jahren

Ein reges Jugendleben entwickelte sich in Fraßdorf in den 1950iger Jahren. Gab es doch damals noch keinen Fernseher, kein Handy oder Computer.

Es bestand auch besonders nach dem Krieg großes Interesse wieder gemeinschaftlich etwas zu erleben.

Um 1954/55 gründete die damalige FDJ-Gruppe eine Schalmeienkapelle unter der Leitung von Lehrer Kurt Neubert. Sie hatte viele Jahre Bestand und es erneuerten sich die Instrumentalisten doch stets nach Ausscheiden weggezogener Jugendlicher.

die Schalmeienkapelle um 1962

Eine Wiederauferstehung erfuhr die Schalmeienkapelle zum 750jährigen Jubiläum Fraßdorfs 2016.

Aber gehen wir gedanklich wieder zurück zu den 1950/60 Jahren.

Zu einer der besten Grundeinheiten der FDJ des Kreises Köthen gehörte Fraßdorf. Mit Freude und Frohsinn sind die Jugendlichen dabei, die VI Weltfestspiele vorzubereiten. Im Januar waren es 9 Veranstaltungen, die die Freunde in Fraßdorf durchführten.

Am 17. Januar 1957 war Volkstanzprobe zur Vorbereitung auf das Treffen zum Ausscheid aller Volkstranzgruppen am 23./24. Februar; am 18. Januar probte der Chor, am 23. Januar erschienen zur Mitgliederversammlung 27 (!) Freunde.

Es vergeht keine Woche , wo die Jugendfreunde nicht zusammen kommen.

Neben vielen Veranstaltungen im Jugendraum war es besonders auch die Volkstanzgruppe, die von sich Reden machte.

Vier Paare bildete hier die Volkstanzgruppe: vlnr. Horst Schieche, Ursel Niklowitz, Ernst Thaun,
Marianne Voigt, Helmut Uhlig, Karin Schwuchow, Joachim Schulze, Ingrid Knapp… es gab aber noch mehr Mitglieder in der Tanzgruppe, wie Karin Lässig, Wolfgang Schulze und Günter Mohr…

Einen schönen Erfolg konnte da die Volkstanzgruppe erringen. Sie konnte den 1. Platz beim Wettbewerb der Landgruppen erreichten und durfte dann zur Bezirksleistungsschau der Volkskunst nach Halle fahren.

Das wichtigste Betätigungsfeld für die Fraßdorfer Tanzgruppe aber waren die Auftritte zu Festlichkeiten in den umliegenden Dörfern. Als Beispiel sei nachfolgend ein Auftritt in Gnetsch genannt:

Nach 30 Jahren gab es 1985 ein gut vorbereitetes Wiedersehenstreffen der ehemaligen Volkstanzmitglieder. Mit eingeladen waren auch ihre inzwischen angetrauten Ehepartner. Einige angefügte Seiten entstammen einer Erinnerungs-Schmuckausgabe mit Fotos und Zeitungsausschnitten über die damaligen Aktivitäten der jugendlichen Volkstanzgruppe.

Bei einem Treffen 30 Jahre später erwärmen die alten Aufnahmen die Herzen aller ehemaligen Volkstänzer
Zur 750 Jahr-Feier Fraßdors 2016…
ist die damalige Volkstanzgruppe natürlich auch ein Bestandteil des Festumzugs.
Das damals mitgeführte Plakat ist heute im Dorfgemeinschaftshaus ausgestellt!

Roswitha Schulze

Aus Fraßdorfs Vergangenheit:

Die Villa „Sick dich für“

Diese Malerei von Hans Menzel zeigt die „Käsevilla“ oder Villa „Sick dich für“ bereits als Wohnhaus am Feldweg nach Zehmigkau

Wo heute hinter dem Dorfgemeinschaftshaus drei Garagen stehen, stand bis etwa 1970 ein großer Schafstall. (siehe auch die Ortsdraufsicht weiter unten im Text) Der letzte Schäfer war Otto Frohberg aus Meilendorf.

Bis zum Jahr 1870 etwa stand im dahinter liegendem Schäfergarten das alte Käsehaus. Damals war die Domäne noch selbständiger Gutsbezirk und hatte seine eigene Käserei. In diesem Gebäude reifte der hergestellte Käse.

Mit Enstehen der Molkerei in Quellendorf etwa um 1901 wurde dann die Milchverarbeitung auf den Höfen weitestgehend eingestellt. Butter, Quark, Käse wurden ab da in der Molkerei zentral hergestellt und vermarktet. Somit wurde dann das Käsehaus überflüssig.

Ortsdraufsicht von Fraßdorf um 1938
-Mit IV ist die Villa „Sick dich für“ auf der Karte markiert
; auch die Akazien sind mit 4 Punkten eingezeichnet worden

Aber bereits zuvor wurde dieses Käsehaus abgetragen und am damaligen Feldweg nach Zehmigkau (wo heute das Haus der Familie Venediger steht) als Wohnhaus wieder aufgebaut. Bis in die 1930iger Jahre war dieses Haus bewohnt, undzwar von Aufsehern und Landarbeitern der Domäne. Damals war der Standort des Hauses doch weiter vom eigentlichen Dorf entfernt gewählt worden, so daß es eine Einzelstellung hatte. Die auf dem Bild sichtbaren breiten Akazienbäume spendeten reichlich Schatten und machten es zu einer angenehmen Wohnstätte. Oft müssen diese Akazien in der Dämmerung besonders düster gewirkt haben und in der Vorstellung mancher Dorfbewohner an der manchmal unbewohnten „Villa“ böse Geister heraufbeschworen haben. Ein Schornstein- und Dachstuhlbrand und andere unklar gebliebene spukhafte Dinge in diesem Häuschen haben die Meinung von der Anwesenheit von Gespenstern bestärkt, daher dann auch der Name „Villa sieck dich für“ stammt.

Erwähnenswert ist, daß das Haus in 1870/1880iger Jahren ein Aufseher namens Dürre bewohnte. Sein Sohn Wilhelm besuchte die damalige zweiklassige Dorfschule mit Erfolg und konnte seiner Fähigkeiten wegen als Schulhelfer dem oft erkrankten und von 1877 bis 1882 hier amtierenden Lehrer Friedrich Vettmer zur Seite stehen. Von unserer Dorfschule aus kam Wilhelm Dürre zum Landesseminar nach Köthen. Später machte er sich als Chordirektor in Dessau einen Namen.

Nach dem Aufseher Dürre hat noch fast vier Jahrzehnte der tüchtige Hofmeister Behrendt die segensreiche Arbeit auf seinem Posten für die Domäne geleistet und in der „Villa“ gewohnt

Die Aufnahme zeigt die Käsevilla um 1935 mit ihren Bewohnern Herrn Karl und Frau Wilhelmine Behrendt;
Nachkommen der auf dem Bild stehnden Karl und Wilhelmine Behrend waren im Mai 2007 auf der Suche nach ihren Wurzeln in Fraßdorf bei Roßwitha Schulze, der Ortschronistin von Fraßdorf erschienen, um auf den Wegen ihrer Großeltern und Eltern zu wandeln und fertigten diese Ahnentafel an.

Um 1940 wurde dieses Haus dann im Zuge der Aufsiedlung der Domäne von einem Quellendorfer Bauunternehmen abgerissen. Die Steine und das Holz dieses doch sicher auch mehr als hundert Jahre alten Fachwerkhauses wurden wieder verwendet, was damals zum dritten mal geschah!

Roswitha Schulze

Im den Jahren 1955/56 wurde dieses Haus von Paul Venediger an dem Standort der damaligen „Käsevilla“ errichtet. Ein Sohn, Peter Venediger und seine Familie wohnt heute noch in diesem Haus

1955 baute die Familie Paul und Erika Venediger mit ihren Kindern aus Aken an dieser Stelle ein neues Haus