Insgesamt sind 58 Fraßdorfer und Gäste am 16.11.2025 der Einladung von Herrn Günther Fischer zu einem Dorfspaziergang durch Fraßdorf gefolgt. Sie nahmen alle für ein Foto auf den Treppenstufen des Gutshauses Aufstellung!

Nachdem wir mit Günther in den letzten Jahren bereits an drei Flurwanderungen teilnehmen durften, hat er sich für diesen Tag in verschiedenen Quellen zu den Liegenschaften in unserem Ort und zu deren Historie informiert.
Gestartet wurde der Rundgang in der Alten Siedlung 14 vor dem ehemaligen Gutshaus, also genau vor dem Amtssitz des ehemaligen Amtmann Heydenreich.
Von hier aus verwaltete der Amtmann im Auftrag des Fürsten Franz die Geschäfte über Quellendorf bis nach Dessau-Kochstedt und Wadendorf.
Das Gutshaus steht mitten in der ehemaligen Domäne, die insgesamt vier Eingänge mit Toren zum Gutshof hatte, und heute die „Alte Siedlung“ ist und wo heute auf eine Existenz von Tore kaum noch etwas hindeutet.
Von da aus bewegten sich die Spaziergänger zur Alten Siedlung 7, also zum Grundstück der ehemaligen Brennerei auf dem Gutshof.

Herr Fischer wusste zu berichten, dass früher fast jedes Dorf eine eigene Brennerei hatte und die Fraßdorfer Brennerei vlt. das einzige Gebäude in unserer Umgebung ist, welches heute noch erhalten ist – allerdings ohne die entsprechenden Produktionseinrichtungen. Denn ab etwa 1955 war dort eine Wäscherei und ab 1973 eine Chemische Fabrik ansässig.
In der Chemischen Fabrik wurde zu DDR-Zeiten der sehr beliebte weiße Kohlenanzünder hergestellt.
Später dann zog in die bauliche Hülle eine Produktion nautischer Geräte, Zeichengeräte und Kinderspielzeug in Form von Steckbausätze der DDR-Marke „Pebe“ – auch DDR-Lego genannt – ein.
Ab Anfang der 90er Jahre bis zum Jahr 2000 wurden dann von der Jacobi-Plast GmbH in dem Gebäude Fenster und Türen produziert.
An der Ecke zur Etzdorfer Straße befindet sich das Objekt der Freiwilligen Feuerwehr Fraßdorf. Das Gut hatte schon früher an diesem Standort eine Pflichtfeuerwehr.
1913 wurde nach dem Brand der Bäckerei die freiwillige Feuerwehr gegründet und sie erreichte dann auch ein 100jähriges Jubiläum.
Vor einigen Jahren aber erfolgte ein Zusammenschluss der Fraßdorfer mit den Hinsdorfer Kameraden, um Einsätze absichern zu können. Leider fehlt der Nachwuchs, wie ja bei vielen Feuerwehren in den Dörfern.
Die Dorfwanderer erreichten dann in der Etzdorfer Straße 11 das Gebäude des neben dem Dorfteich befindlichen ehemaligen Umspannwerkes. Fraßdorf war damals eines der ersten Dörfer, welches 1911 elektrifiziert wurde.
1991 wurde das Umspannwerk zurückgebaut. Heute ist das Gebäude ein Wohnhaus.
In der Mitte der Etzdorfer Straße (heute Haus Nr. 9) befand sich eine von drei Fraßdorfer Gaststätten, welche von der Familie Hartge betrieben wurde – nebenbei erfolgte auch noch ein Lebensmittelverkauf – damals „Kolonialwarenhandel“ genannt.
Die zweite Gaststätte in Fraßdorf befand sich am Bäckerplatz, an deren Gebäudeecke eine Sonnenuhr angebracht war. Das Gaststättengebäude wurde wegen Baufälligkeit abgerissen, aber diese Sonnenuhr ist dank Roswitha Schulzes Initiative heute wieder am gleichen Grundstück zu sehen. Schmiedemeister Gerald Paetzel konnte sie nach einer Generalüberholung mit handwerklichem Geschick wieder anbringen.
Vielen ist noch die von Heinz Both betriebene Gaststätte in der Lindenstraße bekannt, die als letzte Gaststätte noch lange im Dorf existierte und in der im Jahr 1991 mit dem Renteneintritt von Inhaber Heinz Both dann das letzte Bier ausgeschenkt wurde.
Wir erreichten dann den Bäckerplatz, der von vielen älteren Fraßdorfern auch als das Handwerkerviertel genannt wurde.
Links befand sich eine Gärtnerei und eine Schneider- und Schuhmacherwerkstatt.
In der Gärtnerei befand sich zu DDR-Zeiten auch die Eierannahmestelle. Jeder Hühnerhalter des Dorfes konnte hier die Eier abgeben, die der eigene Haushalt entbehren konnte und besserte damit sein wöchentliches Wirtschaftsgeld und die allgemeine Versorgungslage der Bevölkerung auf.
Rechts hinten stand die ehemalige Gemeinde-Bäckerei (später Konsum-Verkaufsstelle), welche 1912 abbrannte und im Sommer 1912 wieder neu aufgebaut wurde. Den Gerüchten nach soll über der am Hauseingang angebrachten Jahreszahl 1912 eine Dorfchronik mit eingemauert worden sein.
Da es damals an einem öffentlichen Raum mangelte, wurden eine zeitlang die Gemeinderatssitzungen in der warmen Bäckerei abgehalten. Erst später nutzten die Gemeindevertreter für ihre Sitzungen eine Gaststätte.
Auf der rechten Seite hatten der Stellmacher Schmidt und der SchmiedemeisterPaetzel ihre Werkstätten.
Weil Günther Fischer zwischendurch viele Streiche und Begebenheiten aus der Kindheit erzählte – es wurde viel in freier Natur gespielt – war der Dorfspaziergang sehr unterhaltsam und abwechslungsreich.
Der Platz um den die Handwerker ihre Werkstätten hatten war damals auch der Dorfplatz, auf welchem auch die Dorffeste gefeiert wurden. Hier befindet sich auch ein Kriegerdenkmal mit der Jahreszahl 1813 eingraviert zur Erinnerung an den Napoleonkrieg. Hinter diesem Denkmal stand lange Zeit immer eine „Friedenslinde“.
Nach ca. 75 Minuten wurde der Rundgang auf Grund des einsetzenden Regens auf dem Bäckerplatz abgebrochen.
Die Teilnehmer konnten sich dann bei einem gemütlichen Kaffeetrinken im Dorfgemeinschaftshaus aufwärmen und sich in dort von Günther Fischer und Roswitha Schulze gesammelten und ausgelegten Unterlagen und Chroniken über weitere Geschehnisse in und um Fraßdorf informieren.


Die zweite Hälfte der Ortswanderung ist für Anfang des Jahres 2026 vorgeplant. Der Termin wird rechtzeitig bekannt gegeben.
In Namen des Ortschaftsrates Danken wir Herrn Günther Fischer für die Vorbereitung und Durchführung der Dorfwanderung
Ralf Moritz
Ortsbürgermeister
Danke für die Informationen. Sie wecken viele Erinnerungen aus meiner Kindheit, wenn ich am Wochenende oder in den Ferien bei Opa Kurt und Oma Elly in der damaligen Lindenstraße 33a war.